#27 - Work-Life-(Beach-)Balance
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Halbzeit. Kilometer 3562,8. Frankreich (noch immer). Und ich mag es – aber warum sprechen die Franzosen eigentlich so ungern bis überhaupt nicht Englisch? Lernen sie es nicht oder wollen sie einfach nicht? Immer wenn ich mich als nicht-französischspechend oute, labern diese partout auf Französisch weiter. Auch das von mir in gleichen Teilen schüchtern wie zärtlich nachgehauchte „No francais“ hilft nicht. Ich hatte mir schon überlegt dann einfach auf Deutsch zu schwätzen und ihre Reaktion abzuwarten. Bei nächster Gelegenheit probiere ich das aus.
Nach einigen Tagen in der Normandie bin ich – in der Hoffnung auf besseres Wetter, in der Bretagne gelandet – in dem kleinem Ort Saint-Coulomb nähe Saint-Malo (Prädikat sehenswert!). Wetter bei Ankunft: 28 Plusgrade, Wetter ab dem ersten Tag vor Ort: Regen, Wind und 13 Grad. Nicht mit mir!
Auf meiner Weiterfahrt bin ich an der Landspitze Le Gouffre (Plougrescant) und damit verbunden beim Haus zwischen den Felsen gelandet. Ich habe das Ambiente sehr gemocht – eine schroffe Küste, ein leerer Strand und wenig Regen. Hier blieb ich nur eine Nacht und fuhr anschließend auf die vis-á-vis gelegene Seite der Bretagne, auf die Halbinsel Quiberon. Der Wettergott war mit mir, aber der Campinggott hat mich im Stich gelassen. Es hat nicht geklappt und auch der Wind war recht grausam. Für die unzähligen Kite-Surfer am Strand allerdings ein Segen.
Zu diesem Zeitpunkt war ich genau zwei Wochen alleine unterwegs. Zeit für einen kleinen emotionalen Durchhänger, etwas Frust und aufkeimender Demotivation. Auf die Schnelle musste eine Lösung her und ich habe mich an Batz-sur-Mer erinnert, dass ich einige Tage zuvor auf einer Webseite entdeckt hatte. Und mich nach einer Nacht in der Nähe von Quiberon nach eben dorthin auf den Weg gemacht. Und in Batz-sur-Mer wurde ich belohnt: Mit Plusgraden, dem Ozean vor der Camping-Haustür und einem heimeligen Ambiente. Der Campingplatz La Govelle ist mini, aber ausreichend. Mit meinem waren gesamt sieben Stellplätze besetzt gewesen. Dementsprechend ruhig und erholsam war es. Und nachdem noch Nebensaison ist, blieb es die restliche Zeit meines Verbleibes dabei – den Rentnern und mir. Den Altersschnitt vermochte ich alleine nicht anzuheben.
Nachdem ich die letzten beiden Wochen immer nur ein, maximal zwei Nächte an den besuchten Orten geblieben war, hatte ich Sehnsucht nach etwas Stabilität, Beständigkeit. Batz-sur-Mer war dafür der richtige Fleck – ich konnte mich entspannen, ich konnte entdecken, ich konnte surfen und gut arbeiten. Also blieb ich hier vier Nächte ehe ich weiterzog.
Dank der sommerlichen Temperaturen gibt es in meinem Freiluftbüro nur einen Dresscode: Bikini, Hut und Sonnencreme. Die Mittagspause verbringe ich am Strand – beobachte, lese und träume. Mein vorsommerlicher Teint nähert sich dem Pantone-Farbton 4645C. Diese aktuelle Work-Life-(Beach-)Balance funktioniert recht gut für mich, obwohl sich mein Tagesablauf nicht großartig von jenem in meiner Komfortzone unterscheidet: Aufstehen, Yoga praktizieren, duschen, frühstücken, arbeiten, Mittagspause, arbeiten, abschalten, Abendessen. Abgesehen vom Element Strand, welches die letzten Tage hinzugekommen ist. Außerhalb der Arbeit versuche ich wenig online zu sein, denn WiFi ist Luxus und die mobilen Daten seit dem 26. April deaktiviert.
Nach einem nachmittäglichen Spaziergang und Zwischenstopp im Tourismusbüro von Rochefort – schöne Gebäude! – war ich die letzte zwei Tage nun in Saint-Palais-sur-Mer. Aufgrund des gestrigen Feiertages habe auch ich blau gemacht und bin nachmittags an die Côte Sauvage. Die Surf-App MSW – Magicseaweed hat für nachmittags Wellen vorhergesagt, die dann zwar zum Teil klein ausfielen, aber ich war trotzdem zwei Stunden am/im Wasser – und am Brett. Die (Kalk-)Schulter ist zwar dank Cortisoninjektion schmerzfrei, aber sie ist trotzdem in meinem Kopf, somit bin ich noch vorsichtig und taste mich langsam ans Surfen heran, denn ich habe ja noch knapp fünf Wochen vor mir.
Die kommenden Tage geht die Reise in den Süden weiter: nach Bordeaux, wo ich Montag abends am Flughafen gestellt sein muss. Denn: Es kommt Gesellschaft. Und ich freue mich darauf. Auch wenn ich gern und gut alleine bin. Aber nach drei Wochen ist es auch mal schön, wieder Momente und Ereignisse teilen zu können, sich zu unterhalten, Eindrücke und Geschichten auszutauschen. Denn manchmal komme ich – aufgrund meines nicht vorhandenen Französischs und der Verweigerung der englischen Sprache auf Seiten der Franzosen – auf maximal elf, zwölf gesprochene Wörter am Tag. Phasenweise kommt mein Digitalnomadentum einem Aufenthalt im Schweigekloster gleich. Aber auch das hat seine Vorteile und genieße ich.