#29 - Kribbeln im Bauch
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Back on the road. Der Stillstand in Bordeaux hat mich sieben Tage meiner Reise gekostet. Die Bucket-List für diesen Trip musste somit abgeändert und ausgemistet werden. Ich gehe also keine Etappe des Jakobsweges und auch Galizien muss ohne meine Anwesenheit auskommen. Because the pressure is on: In acht Tagen werde ich die Heimreise antreten, obwohl ich noch nicht fertig bin. In 18 Tagen werde ich wieder in meiner Komfortzone sein, obwohl ich dahin nicht zurück möchte. In 20 Tagen werde ich wieder im Alltag angekommen sein, der sich erst einmal komisch anfühlen wird.
Ich konnte letzten Freitag endlich mein Auto übernehmen. Warum das so lange gedauert hat, hat man mir bis heute nicht beantwortet. Ich habe auch seither nichts mehr von Skoda Assistance oder dem Team vom Skoda Notrufdienst gehört. Eine Reparatur war übrigens nicht erforderlich, denn es konnte kein Schaden festgestellt werden. Für das Zurücksetzen des Bordcomputers hat man halt einfach vier Tage gebraucht. Aber Schwamm drüber. Mein Stillstand ist vorbei, die Straße hat mich wieder und ich meinen Partner in Crime, meinen Roomster.
Die ersten 100 Kilometer fuhr ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend mit. Jedes Geräusch ließ mich bangen, langsamer werden und hoffen. Aber irgendwann wurde das mulmige Gefühl durch dieses wunderbare Kribbeln ersetzt, dass ich seit Projektbeginn immer wieder wahrnehme. Und in diesem Moment, als ich dieses Kribbeln, dieses Gefühl vergleichbar mit Schmetterlingen im Bauch, spürte, war ich wieder auf meiner Reise. Ich war wieder im Eroberungsmodus. Bei Kilometer 4093 auf meinem Display und um 19 Uhr 38 am 09. Juni 2017 passierte ich (ehrlich gesagt etwas planlos) die französisch-spanische Grenze. Ich preschte nach Zarautz, schlug mein Nachtlager auf und war aufgeregt. Nach zwei Nächten fuhr ich weiter nach Oyambre (Danke Pauki für den Tipp!) und legte auf dem Weg dorthin einen Abstecher nach Bilbao ein: Guggenheim Museum. Ich brachte es einfach nicht übers Herz daran vorbeizufahren, es links liegen zu lassen. Und es war eine ideale, eindrucksvolle Beschäftigung für sonntags Nachmittag.
Das Wetter in Oyambre war, naja, etwas sehr grau und diesig. Bei leichtem Nieselregen richtete ich mich häuslich ein und entschied surfen zu gehen. Der Strand bzw. der Surfspot lag direkt vor meiner Haustüre, ich konnte nicht anders. Der Atlantik war gut zu mir und ich tobte mich in den Wellen aus ehe ich mich einer heißen Dusche und anschließend einem kalten Bier hingab. Aufgrund der Wettervorhersage entschied ich mich Nordspanien nur recht kurz zu beehren und ob der wenigen Zeit bis zur Heimreise flott nach Portugal weiterzuziehen. Die bisher längste Etappe von 662 Kilometer fuhr ich am Stück durch. Eine Fahrt mit vielen Gedanken, Eindrücken und euphorischen Aufschreien.
Heute ist der 50. Tag dieser Reise. Ich bin in Esmoriz im Surferscamp von Rui Enes. Gleich geht es weiter, südwärts. Mein Bedürfnis nach Hause zu reisen hält sich in Grenzen. Auf der anderen Seite weiß ich, dass ich Zuhause meine Komfortzone ordentlich umkrempeln und einige massive Änderungen herbeiführen werde. Das Konzept dafür habe ich bereits im Kopf. Ich möchte so bald als möglich zurück auf die Straße, wieder rein in dieses minimalistische und doch sehr erfüllende Dasein. Ich habe das große Verlangen, dieses Projekt fortzuschreiben, denn vom Gefühl her bin ich erst am Beginn.