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#20 - Über Dankbarkeit

Ich erinnere mich, dass ich mir vor genau einem Jahr ähnliche Gedanken – wie in den letzten Tagen – gemacht habe. Ich habe daran gedacht, was ich das Jahr über gemacht, erreicht, erlebt, entdeckt, geliebt oder aber auch bereut habe. Welche Vorsätze habe ich eingehalten, und welche nicht. Wurde meine persönliche To Do-Liste länger? Oder doch kürzer?
Das war im Dezember 2015. Und in dem Moment, als ich damals für mich festgestellt habe, dass es ein durchaus gutes Jahr war, hat das Schicksal mir den Stinkefinger ins Gesicht gehalten. Genau heute vor einem Jahr. Als ich am 17. Dezember 2015 in Prag aufgewacht bin, war meine Welt heil. Kurz nach dem Frühstück, nach einem Anruf war sie dumpf. Und ich betäubt. Wenige Stunden zuvor ist meine Nichte verunglückt und es ist seither kein Tag vergangen, an den ich kein Zwiegespräch mit Hanna Sophie geführt habe.

Ein Jahr später sitze ich also wieder hier. Denke nach, erinnere mich. An jeden Moment. Bis jetzt war das Jahr gut und es ist nichts und doch vieles passiert. Und nicht nur, weil Weihnachten vor unser aller Türen steht, und nicht nur, weil sich das Jahr dem Ende nähert, sondern generell einfach, ist es Zeit in sich zu gehen. Und, dankbar zu sein.

Ich bin dankbar, dass dieses Jahr trotz der Dunkelheit, in der ich gestartet bin recht freundlich hell geworden ist. Dass ich Ziele erreicht und mutige Entscheidungen getroffen habe. Ich bin dankbar, dass neue Menschen in mein Leben gekommen sind und mein Herz erobert haben. Ich bin dankbar,, für all die Momente, die ich in guter Gesellschaft verbringen durfte. Die geprägt waren von guten Gesprächen, lustigen Momenten, Abenteuern. Die sich in mein Gedächtnis als Erinnerung eingebrannt haben und mich noch jetzt (und vermutlich auch in Zukunft) zum Lächeln bringen werden.
Ich bin dankbar, dass ich Entscheidungen treffen konnte, die sich ausschließlich positiv auf mein Leben ausgewirkt haben. Zum Beispiel jene Entscheidung, die mich in die 100 %ige Selbständigkeit geführt hat. Eigentlich banal, dass es nur eine Shiatsu-Behandlung gebraucht hat, um mich zu diesem Entschluss mit Domino-Effekt zu führen.
Ich bin dankbar, dass ich in einem Land lebe, das nicht im Bombenhagel untergeht. In den letzten Wochen und Monaten saß ich zunehmend öfters kopfschüttelnd über der Zeitung. Aleppo. Syrien. Brexit. Trump. Mittelmeer. Katastrophen. Krieg. Populismus. 2016 war ein turbulentes Jahr. Und ich frage mich, wo sind die freudvollen Nachrichten geblieben?
Ich bin dankbar, dass meine als vermeintliche Sorgen deklarierten Wehwehchen mich nicht daran hindern, ein gutes Leben zu führen. Denn ich habe im Grunde keine Sorgen. Die kleinen persönlichen „Weltschmerzen“ sind verkraftbar und zu bewältigen.
Ich bin dankbar, dass ich das Leben lieben kann. Weil es an und für sich recht gut zu mir ist, ich zufrieden und glücklich sein kann. Ich bin dankbar, dass dieses Jahr reich an Eindrücken und positiven Erfahrungen war. Kleine und große Dinge. Und auch wenn mein Herz manchmal etwas gelitten hat, so bin ich reflektierter und stärker als zuvor. Ich bin dankbar, dass ich träumen kann und Träume habe. Träume, deren Realisierung Großteils in meinen Händen und zum Teil schon in Vorbereitung liegt.

Im Grunde aber kommt der Satz „Ich bin dankbar“ auch ohne die Wörter nach dem Komma aus. Denn dankbar zu sein, scheint heutzutage recht schwer zu sein. Alle wollen immer das Bessere, das Schnellere, das Größere. Sie wollen mehr Geld, mehr Zeit, mehr Was-Weiß-Ich. Was mir die letzten knapp 370 Tage, seit dem Morgen vom 17. Dezember 2015 gezeigt haben, ist, dass nicht das Mehr dankbarer macht. Es ist das Weniger. Das Immaterielle. Der Moment, wenn alle die Du liebst, wieder sicher nach Hause kommen. Und bleiben. Der Moment, wenn Du aufwachst und alles ist gut.

Ich bin dankbar, dass ich nun ein Weihnachtsfest vor mir habe, das meinen Vorstellungen entspricht. Das ich für mich entschieden habe, anders zu feiern. Mit Freunden bei einem großen Essen. Mit Wichtel-, Baum-, Friedenslicht- und Weihnachtsgeschichtenbeauftragten.

In diesem Sinne, freud- und genussvolle Weihnachten. Und einen Raketenstart ins Neue Jahr. Möge es zu uns allen gut sein. Mögen wir 2017 bessere Nachrichten lesen und hören, als 2016. Möge sich die Welt wieder besinnen und Fehler nicht laufend wiederholt werden.

Dieses Lied von Soap & Skin bzw. Jakob Neulingers Beitrag in der Ausstellung „AWAY – Stories from abroad“ hat mich einfach gefesselt. Beides zusammen kraftvoll und stark, berührend und beruhigend. Einfach mal zehn Minuten 25 inne kehren und still (oder laut) dankbar sein.