#3 - Im ersten Leben ein Chamäleon
Für meinen ersten Job wechselte ich aus dem gut behüteten Mostviertel (NÖ) ins County Mayo (Irland). Ich war 17 Jahre alt, hatte gerade die Schule abgeschlossen und eigentlich so gar keinen Plan, was ich machen werde. Mutters Traum, die Tochter wird Krankenschwester, brachte ich schon früh zum Platzen. Ich glaub mit 16 habe ich gemeint, ich werde Cosmopolitan. Nicht der Zeitschrift wegen. Am 28. August 1999 nahm ich – etwas mehr als – meine sieben Sachen und war weg. Ich war davor noch nie im Ausland gewesen. Die Grenzen Österreichs nie überschritten. Und dann gleich mal ein paar 1.000 Kilometer zwischen die Eltern und mich gelegt. Ich war auf mich alleine gestellt und das war gut so. Ich landete bei den Cawleys, einer klassisch, irischen Familie. Bodenständig, fleißig, kinderreich und den Kartoffeln eng verbunden – jeden Tag gab es Kartoffeln. Ein Relikt aus der Zeit, als die Iren sehr arm waren und die Kartoffel mehr oder weniger das einzige war, was man essen und zu Alkohol verarbeiten konnte. Ich lebte mich langsam ein und merkte schon in Irland, dass ich in meinem früheren Leben wohl ein Chamäleon gewesen sein muss, denn wo immer ich hingekommen bin, ich hab mich einfach angepasst. Die Farbe gewechselt. Mit meinen damals langen Locken sah ich irisch aus und hatte auch schnell ein schönes (?) irisches Englisch drauf. Diese Zeit in Irland war toll. Im Nachhinein betrachtet eine prägende Zeit, aber nicht die prägendste in meinem Leben. Ich traf in diesem kleinen Ort an der irischen Westküste auf Menschen aus Schweden, Deutschland, Frankreich, der französischen Schweiz und und und – allesamt Mädels, die auch als Au Pair nach Irland gingen. Mit einigen habe ich noch Kontakt, mal mehr, mal weniger. Wichtig ist, dass er nicht abreißt, sondern dass man sich verbunden bleibt. Heute 15 Jahre nachdem ich nach Irland gegangen bin, habe ich nach wie vor Kontakt zu „meinen Kids“. Der damals jüngste ist jetzt 18, der damals älteste 23 Jahre alt. Dazwischen liegt B. mit 21 und H. mit 19 Jahren. Dieser, meiner ersten Expedition werde ich immer besonders verbunden sein.
Mein erster richtiger Job, wo ich auch richtig Geld verdient habe und in die Sozial- und Pensionsversicherung eingezahlt wurde war bei Ogilvy & Mather, eine der größten internationalen Werbeagenturen. Das Wiener Büro stellte das Headquarters für Osteuropa. Viele internationale Menschen, fremde Kulturen gingen ein und aus. Manche waren pflegeleicht, manche waren etwas schwieriger handzuhaben. Aber diese Vielfalt an Menschen war toll. Es war immer was los, immer gab es ein kulturelles Missverständnis, dass sich dann flott aufgelöst hat. Von den Putzfrauen habe ich viel über den Fastenmonat Ramadan erfahren und ihnen gerne zugehört, wenn sie von ihrer Heimat gesprochen haben, aber auch davon geschwärmt haben, um wie viel besser es in Österreich ist.
Nach zwei weiteren Ausflügen in heimische Agenturen hat mich die Liebe im Frühling 2008 in die Kaiserstadt Aachen (NRW) gebracht. Ein Abenteuer durch und durch. Positiv wie negativ. Hier gab es oftmals mehr Missverständnisse als mit Leuten aus Osteuropa. Aber ich, das Chamäleon, hat sich einfach wieder angepasst, aber auch Spuren meines Ursprungs, meiner Kultur hinterlassen. Da waren die Abende in unserer Küche, wo Wiener Schnitzel auf türkische Falaffel und Kölsch gestossen sind, wo der ‚Öcher Jung‘ hässliches Deutsch gesprochen hat oder wo ich verzweifelt einen Mistkübel gesucht, aber nur einen Mülleimer gefunden habe. Die Worte heuer und Jänner habe ich nach Aachen importiert – es war mir schleierhaft, warum diese nicht bekannt sind. Noch heute sehe ich meinen damaligen Chef vor mir stehen, mit dem Brief, den ich für ihn geschrieben habe und er mich rätselnd ansieht und fragt, was denn bitte „heuer“ heißt. Deutsch ist halt nicht immer Deutsch.
Im Herbst 2009 ging es zurück nach Wien und im März 2010 begann ich für einen internationalen Immobilien-Developer zu arbeiten. Wieder sehr viel Osteuropa. Und um so mehr ich mit ihnen gearbeitet habe und arbeite, umso mehr Abneigung empfinde ich. Nicht, im Sinne von rassistisch sein, aber irgendwie stimmt zwischen uns die Chemie nicht. Ich habe das nun laufend seit 2010 erlebt. Ich sag A, sie nicken, stimmen zu, machen B. Ein kleiner Autokratzer kommt fast einem Totalschaden gleich und zu sagen, wir gehen gemeinsam ist anscheinend der Startschuss für sie, einfach loszulaufen.
Ich war in der Republik Moldau und in Rumänien – beides wunderschöne Länder. Aber die Menschen, wir werden nicht warm. Es ist für mich fast schon anstrengend, mit ihnen zu arbeiten. Zu oft bin ich eingefahren, zu oft, haben sie ihr eigenes Spiel gespielt, zu oft haben sie einfach nicht das gemacht, was wir zusammen festgelegt haben. Von allen Kulturkreisen, sind die Rumänien, Bulgaren, Ungarn und Co. mir jene, die mir am weitesten entfernt sind. Wir haben es probiert und wurden nicht mal lauwarm miteinander. Hier kann sich mein Ich in kein Chamäleon transformieren. Da sträubt sich das innere Chamäleon aber ordentlich. Es ist wie es ist. Mit dem Wissen, dass es einfach nicht geht, lebe ich ganz gut, ich begegne ihnen so, wie sie mir begegnen. Und ich habe das Gefühl, dass ist der einfachste und beste Weg um zu Ergebnissen zu kommen.
Dieser Blog-Beitrag ist im Rahmen meinen Studiums an der FH JOANNEUM in der Lehrveranstaltung „Inter- und Intrakulturelle Kommunikation“ entstanden.