#19 - Goodbye Tinder, es ist vorbei mit uns

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Liebes Tinder,

wir hatten eine schöne Zeit. On. Off. On. Off. Aber jetzt muss ich Dir sagen: Fuck off. Ich will nicht mehr. Tinderella hat die Schnauze voll. Du bist nicht mehr meine Homebase. Du bringst mich nicht mehr zum Lachen. Im Gegenteil, Du hast mich traurig gemacht. Du hast mich nicht enttäuscht. Du hast mir ja nichts versprochen – und, ich von Dir nichts erwartet.

Wir hatten wirklich tolle Momente: Allein der vergangene Sommer war abwechslungsreich, amüsant und auch ein wenig crazy. Durch Dich habe ich viele unterschiedliche Biographien kennengelernt. Du hast mir gezeigt, was da draußen alles rumläuft. Und vieles davon hat mich erschreckt. Mit Dir konnte ich gut Zeit vertrödeln. Du hast mich in Alleinmomenten köstlich unterhalten, in dem Du mir Bilder gezeigt hast, die Großteils einfach nur absurd waren. Durch Dich waren die Männer teilweise nur einen Wisch entfernt. Aber dennoch blieb nicht viel übrig und ich kann kein gutes Haar an Dir lassen.

Ich muss mich von Dir trennen, weil eine gesunde Beziehung mit Dir nicht möglich ist. Ich habe Dich immer verteidigt: Du bist, was man aus Dir macht. Und ich hatte stets eine neutrale Erwartung. Keine hoffnungsvolle. Manchmal hast Du mich echt überrascht und ich war dankbar, wen Du mir vorgestellt hast. Aber eigentlich bist Du ein kaputtes Wesen.
Du ermöglichst es Menschen, sich in Dir zu verlieren. Sich Märchenwelten auszumalen, die unterm Strich utopisch sind. Das gelingt Dir, weil es so wahnsinnig einfach ist, Dich zu benutzen. Es bedarf keiner Skills. Eigentlich ist es hirnverbrannt sich auf Dich einzulassen.
Ja, ich weiß, es gibt auch schöne Beispiele. Auch in meinem Freundeskreis. Und das ist gut so. Aber mal ehrlich, das Tortenstück, auf dem „große Liebesgeschichte“ steht, ist dann doch recht klein.
Du hast mir lustige Abende beschert, die reich an Gesprächen und alkoholischen Getränken waren. Die sich über viele Stunden ausgedehnt und manchmal bis in den Morgen gedauert haben. Bei denen man am Stück kommuniziert hat und die Gesprächsbasis grandios war. Und manche Küsse auch. Aber warum es dann nicht gereicht hat, hast Du mir nicht verraten. Dann wurdest Du still. Wie ein Kind, das gerade etwas im Schilde führt und nicht ertappt werden möchte.

Am Ende bleibt ein Bild übrig, dass wohl den aktuellen Status der Gesellschaft widerspiegelt und der mir mittlerweile in so vielen Artikeln untergekommen ist. Du hast dazu beigetragen, dass sich der Begriff Mingles formieren konnte. Du hast meiner Meinung nach dazu beigetragen, dass das Grundvertrauen in Menschen einen Knacks bekommen hat und das man es nicht ernst nehmen kann, wenn jemand einem die Geigen vom Himmel holt. Du bist schlecht für den Kopf und schlecht für das Herz. Du bist schlecht für das emotionale Grundgerüst und schlecht für Zwischenmenschliches. Ich habe Dich durchschaut und an diesem Punkt kann ich mich nur von Dir trennen. Ich habe gezögert, weil, ja, ich habe die Zeit mir Dir, gerne geteilt. Du warst mein Wurlitzer, in den ich keine Münzen werfen musste. Ich musste Dich nur anmachen. Mich mit Facebook bei Dir anmelden. Aber am Ende hast Du mich richtig viel Zeit gekostet. Denn Du bist ja immer verfügbar. Egal wo ich bin, Du bist auch da. Aber jetzt will ich Dich nicht mehr.

Mein Fokus gehört wieder gerade gerückt. Der Blick vom Smartphone in die reale Welt. Die ist auch nicht immer rosig, aber sie ist zumindest echt. Hier können sich Menschen nicht hinter schön aneinander gereihten mit Emojis verzierten Sätzen verstecken. Hier offenbaren sie sich durch Gestik und Mimik. Durch Spontanität. Alles, was Dir fehlt, aber mir wichtig ist. Denn das was ich suche, werde ich bei Dir nicht finden. Das kannst Du mir nicht geben. Und ich möchte mich nicht länger mit Pappnasen herumschlagen müssen, die meinen zu wissen, was sie wollen, aber dann doch irgendwie nicht. Ja ich weiß, man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Aber ganz ehrlich, Du bist dann doch eigentlich nur für die schnelle Nummer die Anlaufstelle.

Der Moment, als ich Dich gehen hab lassen, war richtig gut. Ich habe Dich mit der Realität ersetzt. Mit dem Wissen, dass es heutzutage einfach verdammt schwierig ist seinen Match zu finden. Meinen Partner in Crime. Und darunter mach ich es nicht mehr. Ich will den ganzen Firlefanz: Kinder und Kegel. Campingurlaube, Weihnachten, Kindergeburtstage und Buntstiftzeichnungen an den Wänden. Und dazwischen ein Uns. Ein „Wir gegen den Rest der Welt“. Ich möchte jemanden, der nicht geht. Der zurückkommt und sagt: Mein Baby gehört zu mir. Der sich nicht in die Hosen macht und frei von Commitment ist.

Ich bin Dir nicht böse. Du hast ja nicht wirklich etwas falsch gemacht. Der von Dir möglich gemachte Automatismus, immer gleich jemanden mit jemand neues zu ersetzen, ist halt einfach nicht gesund. Aber ein Teil unserer Gesellschaft läuft darauf hinaus. Ersetzen. Unverbindlich bleiben. Testen. Es könnte ja immer etwas Besseres kommen. Aber ich glaube, dass ist ein großer Irrtum. Denn ich finde, dass wir wieder mutiger sein sollten, wieder beginnen sollten Zugeständnisse zu machen, uns auf Dinge einlassen sollten, deren Ausgang wir nicht vorhersagen können. Das Leben ist eine Wurstplatte. Wir sollten alle sofort einen Zehnerblock für die Achterbahn des Lebens lösen, fest- und innehalten. Denn ohne Dich, liebes Tinder ging es ziemlich lange ziemlich gut.

(K)Amore, Deine Birgit