#31 - Coming Home

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Hallo, Melancholie

Heute, am Mittwoch, 28. Juni 2017 ist der 65. Tag meines Digitalnomadendaseins. Und das Wetter ist unfreundlich hier am Gardasee in Italien. Dicke schwarze Wolken hängen über dem See bzw. in den umliegenden Bergen, ab und an donnert es, der Wind lässt den See rhythmische Wellen formen und der Olivenbaum rechts von mir bewirft mich mit Blättern. Die Camper rechts und links von mir flüchten in ihre Wohnmobile und Zeltvorbauten, während ich hier unter meinem einfachen Verschlag sitze. Es könnte schlimmer sein. Not yet a first world problem.

Segeln vor der portugisischen Küste: Left My Soul There Down By The Sea | Foto (c) Rui Costa

Segeln vor der portugisischen Küste: Left My Soul There Down By The Sea | Foto (c) Rui Costa

In meinen letzten Beiträgen war ich ja eher traurig mit der Tendenz zur Melancholie, ob des nahenden Endes dieses Projektabenteuers. Und de facto macht es mich traurig und etwas melancholisch, aber ich habe mir vorgenommen, der Heimreise etwas Positives abzugewinnen. Dem Ganzen einen positiven Touch zu verleihen und – es wirkt. In mir hat sich in den letzten Tagen Vorfreude ausgebreitet und ich blicke der Rückkehr in die Komfortzone nicht mehr allzu traurig entgegen. Die Kraft der Gedanken, sie ist da und funktioniert. Denn zurück in Wien kann ich die weiteren Abenteuer planen. Zurück in Wien kann ich das, was ich auf der Reise für mich entschieden habe, wesentlich leichter umsetzen. Zurück nach Wien muss ich, um die Weichen für die Zukunft zu stellen. Und somit habe ich große Lust auf Zuhause, denn ich weiß ja, was danach kommt. Und natürlich freue ich mich auf Familie und Freunde, auf den Sommer in Wien und am Land. Den grantigen Wienern werde ich mit einem Lächeln im Gesicht entgegenschreiten und der Hitze der Stadt Richtung Donaualtarm Greifenstein oder Mostviertel entfliehen.

Zwischen letzten Dienstag in Lissabon und heute Mittwoch in Brenzano Sul Garda liegen acht Tage bzw. 2293 Kilometer. Meine letzte Nacht in Portugal verbrachte ich am Parkplatz am Praia do Guincho ganz ohne Komfort wie Sanitäranlagen zum Beispiel. Der Roomster eingezwängt zwischen den Campingmobilen mit freier Sicht auf den Atlantik. Ich bin zum Klang der Wellen eingeschlafen und aufgewacht.

Fischer am Gardasee oder I could not not take the picture

Fischer am Gardasee oder I could not not take the picture

Bereits um 7 Uhr morgens war ich auf dem Weg nach Madrid wo ich nachmittags ankam. Aber die Stadt, die vielen Menschen und die Hitze machten mich dizzy und ich habe sehr wenig von Madrid gesehen. Aber die kurzen Streifzüge haben gereicht, um mir ein Bild der spanischen Hauptstadt zu machen: Eine bunte, lebendige, durchmischte und junge Stadt. Nach zwei Tagen brach ich auf und begab mich wieder ans Wasser an die spanische Ostküste: Peñìscola. Ja der Name hat es in sich und auf jedem zweiten Haus steht mehr oder weniger die Bezeichnung des männlichen Geschlechtsorgans. Ich fand es trotzdem schön obwohl ich hier nur einen knappen Tag verweilte ehe ich rund 350 Kilometer weiter Spanien gegen Frankreich tauschte. In Leucate wurde ich fündig – ein toller Strand zum Baden und Faulenzen, ein angenehmer Campingplatz und Ruhe. Hier blieb ich ebenfalls bzw. leider nur eine Nacht ehe ich mit einem Zwischenstopp in Nîmes, um dort Dr. Thomas auf ein spätes Mittagessen zu treffen, meine Zelte in Italien aufschlug. Die erste italienische Station trug den Namen Camporosso. Aber das Ambiente gefiel mir nicht und ich hatte das Gefühl eher in einem Carport zu übernachten als auf einem Stellplatz. Der Roomster passte nur knapp rein. Nachdem ich mich am Morgen des gestrigen Tages vom Meer verabschiedete brach ich an den Gardasee auf. Ein Ort, der schon lange auf meiner ungeschriebenen Bucket-List steht. Hier also, wo der Regen sanft auf meinen Verschlag trommelt, sich der See rund drei Meter von meiner Workspace ausbreitet und nun die Sonne versucht die schwarzen Wolken zu verschieben, lasse ich gedanklich die letzten 65 Tage Revue passieren und ziehe für mich ein (erstes) Fazit.

Es nähert sich ein sehr persönliches Vorhaben zu Ende, das unsagbar reich an Erinnerungen ist. Unbezahlbare Erinnerungen. Reisen befreit, es öffnet den Kopf und das Herz. Ich habe Europa in den letzten Wochen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und an diversen Orten erlebt. Die Fahrt durch Europa hat mir gezeigt, wie abwechslungs- und facettenreich dieser Kontinent ist. Und ohne jetzt politisch werden zu wollen, habe ich auch für mich festgestellt, wie lohnenswert Europa ist.
Ich kehre zurück mit neuen Gedanken und Impulsen. Mit neuen Träumen und Vorhaben, die ich bereits zeitnah wahr werden lassen möchte. Nein, Korrektur: wahr werden lassen werde. Ich hatte die Stille und Ruhe als meine täglichen Begleiter und habe das Alleinsein genossen. Dieses einfache, reduzierte Leben (Hashtag Minimalismus) hat für mich eine besondere Anziehungskraft und ich verknüpfe dieses Dasein mit einer gewissen Art von Romantik. Der See hat sich noch nicht wieder beruhigt. Die Sonne ist da und hält dagegen.

This moment, one out of many, it is priceless.