#42 - 586 Tage später
Während ich diese Zeilen zu meinem ersten Blogbeitrag seit 586 Tagen schreibe, sitze ich zufrieden, entspannt und satt in meiner Küche. Als ich meinen letzten Beitrag am 31. Juli 2018 veröffentlicht habe, saß ich emotional zerknittert, körperlich erschöpft und ausgelaugt im Grenzgebiet Spanien/Frankreich auf einem uncharmanten Campingplatz. Auf der Rückfahrt meiner Digitalnomaden-Reise #2. Und mir war damals nicht klar, wie ich die Heimreise bewältigen sollte, denn mein Knie war von einem Sturz in den Picos de Europa aufgeschlagen, mein Kreislauf tagelang im Keller und ich allein auf weiter Flur.
Aber ich habe es geschafft, was blieb mir denn sonst übrig? In der Nacht von 6. auf. 7. August traf ich nach zwölf Wochen wieder Zuhause ein. Und war einfach nur dankbar.
Ich kehrte damals mit der fixen Idee zurück, rasch einen Bus zu kaufen, diesen in (m)einen rollenden Zwitter - Zuhause & Büro - zu verwandeln und dann wieder aufzubrechen. Länger, weiter, anders als die beiden vorangegangen Reisen als Digitalnomadin. Die fixe Idee blieb, aber die Anschaffung stellte ich als schwierig heraus. Ich tu mir leichter bei Kaufentscheidungen von zum Beispiel Küchengeräten - die Anschaffung einer Getreidemühle habe ich in fünf Minuten abgewickelt, da war sogar der Verkäufer äußerst überrascht. Aber bei einem Auto, geschweige denn einem Bus, da muss ich erst mal im Internet einen Crash-Kurs zum Thema Autokauf belegen. Gibt es aber nicht. Ich besichtigte den einen oder anderen Bus (Hashtag Rostschüssel) und ließ die Idee dann für's Erste ziehen.
2019 verbrachte ich somit nicht auf Reisen sondern frei von Dynamik und Erkundungstouren einfach Zuhause, am Land. Und im Nachhinein betrachtet, tat diese Pause, dieser quasi Stillstand wirklich gut. Es hat sich alles gut gefügt und es sind Dinge passiert, die ich so gar nicht am Schirm hatte.
So habe ich, weil ich die hartnäckig aufpoppende Werbung als Zeichen verstand, die Ausbildung zur Yoga-Lehrerin gemacht. Als Ziel stand dies seit Januar 2017 auf meiner "Bucket-List", aber ich hatte es eher in noch fernerer Zukunft gesehen. Die Wochen im Herbst waren intensiv, anstrengend und den Spagat zwischen arbeiten, lernen und erholen jedenfalls wert. Am 8. Dezember 2019 erhielt ich, in einer sehr schönen Zeremonie, mein Zertifikat und mir war anfangs nicht ganz klar, was passiert war. Was ich geleistet hatte. Und das ich ein weiteres Ziel von meiner Liste streichen konnte.
Ich stolperte chronisch erschöpft durch die Vorweihnachtszeit. Das was passiert war, war noch lange nicht verdaut. Es brauchte seine Zeit, bis es in jede Faser meines Körpers und Denkens eingesunken war. Eine kurze Auszeit über Neujahr bei meinen Freunden in Köln half mir zu Kräften zu kommen, Abstand zu gewinnen und zu reflektieren. Es tat gut für einen kurzen Moment auf Reisen zu sein, denn dazu kam ich das ganze Jahr 2019 über nicht. Meine persönliche Hochrechnung, was Urlaubstage betrifft bringt mich auf drei maximal fünf Tage.
Das Unglaubliche, das aber passiert ist als ich am 5. Dezember 2019 am Weg zu meiner Yoga-Lehrer-Prüfung war, ist, dass plötzlich vor meiner Nase ein Bus zum Verkauf stand. Ich sah das Verkaufsschild als ich vorbeifuhr und rief noch vom Bahnsteig in Amstetten aus an und erkundigte mich nach dem Bus. Dazu muss ich sagen, dass ich insgeheim gehofft und still den Wunsch geäußert hatte, wie toll es wäre, wenn plötzlich da wo ich lebe ein Bus zum Verkauf stünde. Am besten noch von einem Mechaniker oder Spengler. Tja, der Wunsch hat sich zu 100% erfüllt - danke, Universum!
Am Dienstag darauf sah ich ihn mir an. Mein Herz machte zarte Freudensprünge. Es war aber kurz vor Weihnachten und der ÖAMTC sicher ausgelastet für einen Ankaufstest. Ich rief trotzdem an und war erstaunt als mir direkt für den nächsten Tag Termine angeboten wurden. So rollte ich am Mittwoch, 11. Dezember um 16 Uhr mit dem Objekt meiner Begierde am Stützpunkt in Waidhofen ein. Zwei Stunden später wußte ich, das könnte er sein. Das könnte mein Bus sein. Aber wie eingangs schon erwähnt, ich kann binnen fünf Minuten eine Getreidemühle kaufen, aber für eine Anschaffung in dieser Dimension brauche ich Zeit und - Rat. Mein Großcousin Peter, ein erfahrener Busbesitzer und -bastler, sah sich am 15. Dezember den Bus mit mir an. Bestätigte meinen Eindruck und festigte meine Kaufentscheidung.
Am 23. Dezember machte ich mir, durch die Anzahlung, das schönste Weihnachtsgeschenk. Ich kaufte den Bus. Er heißt Franz, warum auch immer. Schon bei der Probefahrt war mir klar, dass wenn er Franz heißen würde. Franz ist bodenständig, loyal, zuverlässig, robust - einfach toll. Wieder einen Traum erfüllt und eine Position weniger auf meiner "Bucket-List". Bis er aber vollständig bei mir einzog, dauerte es noch bis Mitte Februar 2020. Aber seither sind wir unzertrennlich!
Mitte Januar 2020 habe ich gemerkt wie die Kräfte wieder ihren Weg zu mir finden. Es war ein gutes, wohliges Gefühl. Gedanklich begann ich Bäume auszureißen.
Durch die täglichen kleinen und großen Wunder, die Verläufe, die mein Leben beruflich und privat hat, habe ich festgestellt und bin überzeugt, dass alles was für einen bestimmt ist auch zur richtigen Zeit kommt. Da kann man noch so sehr planen wie man möchte. Jetzt erst wurde mir klar, dass ich mich unbewusst bereits vor 586 Tagen auf den Stillstand eingelassen habe, der mir nun schlussendlich wieder Dynamik gebracht hat. In Form von neuen Begegnungen und Menschen, neuen Projekten, neuen Erkenntnissen und erfüllten Träumen. Die Zeit am Land, die Zeit Zuhause hat mich geerdet und ankommen lassen. Ich habe erkannt, wie wichtig es ist ins Urvertrauen zu kommen, an das Urvertrauen anzuknüpfen.
Vor 586 Tagen, als ich mich als Häufchen Elend fühlte und mir selbst gut zureden musste, konnte ich noch nicht wissen, was ich heute schreiben würde. Was in dieser Zeit passieren würde. Aber ich bin dankbar, dass ich auch hierin wieder den roten Faden meines Lebenswegs erkennen kann. Es hat mich auch erkennen lassen, dass wenn etwas sein soll, es kommt. Wird es erzwungen, tritt lediglich eine Enttäuschung einer Erwartungshaltung ein. Ich habe mittlerweile eine Handvoll Beispiele aus meinem eigenen Leben, die zeigen, wie sehr unser aller Wege vorgeschrieben sind. Dies zu erkennen, dies zu wissen, daran zu glauben, empfinde ich als wesentliches Asset. Namaste!