#44 - Ich habe heute Geburtstag
Heute ist mein achtunddreißigster Geburtstag. Zeit, wo bist Du hin? Nicht umsonst sagt Gretchen Rubin: Die Tage sind lang, die Jahre sind kurz. Mit jedem Geburtstag sind die Jahre gefühlt noch kürzer. Vor zehn Jahren hatte ich eine ziemlich konkrete Vorstellung von meiner Zukunft. Mit 28 wollte ich mein erstes Kind bekommen. Mit 36 mein viertes. Hätte fast klappen können, denn ich war damals in einer Beziehung. Auf dem Weg zu meinem 29. Geburtstag ging diese aber in die Brüche. Wir hatten uns nichts mehr zu sagen, hatten uns diametral entwickelt und emotional war da auch kein Band mehr. Nicht mehr in einer Beziehung zu sein, setzte in mir damals etwas frei. Auch wenn es mit M. eine heitere, schöne Zeit war. So war ich über das einvernehmliche Ende erleichtert.
Ich krempelte um, probierte aus, ließ den Dingen ihren Lauf. Und mich vor allem drauf ein. Das mit den vier Kindern hätte ja noch immer klappen können. Es ist ja nicht so, dass ich in den letzten zehn Jahren nichts dafür getan hätte. Schon der ganze Aufwand, das Hickhack und die Geschichten dazu wären nebst einem Blogeintrag auch das goldene große Verdienstkreuz der lonesome hearts wert.
In den letzten zehn Jahren hat mein Leben so manch gewagten Backflip samt Auerbach-Salto gemacht. Und ich Dinge als auch Richtungen und Wege eingeschlagen, die so gar nicht auf meinem geistigen Visionboard standen. Jetzt mit 38 werden sich die vier Kinder nicht mehr ausgehen. Schon alleine ob des Single-Daseins. Aber jetzt mit 38 habe ich auch keine Angst mehr davor, dass sich dieser Wunsch nicht erfüllen wird. Es ist okay. Wir können alle nur das Leben leben, wie es daherkommt. Wir können träumen und Wünsche äußern, unser tatsächlicher Weg liegt in den Händen von Schicksal, Zufall und der Laune des Universums. Vielleicht auch ein wenig in den Händen des eigenen Karmas. Give a little, get a little.
Karmatechnisch war ich die letzten zehn Jahre wohl recht artig, denn ich hab Vieles bekommen, das gar nicht auf meiner quasi Einkaufsliste stand. Ich wurde Unternehmerin und das läuft seit über sieben Jahren recht gut. Ich wurde Digitalnomadin, das läuft auch recht gut. Vor allem jetzt, wo der Franz, ein VW T5 in meinem Leben ist und wir uns recht häufig ins Draußen begeben. Ich wurde Landlebenliebhaberin und genieße es, dass mein Hirn und (Unter-)Bewusstsein nicht mehr von unzähligen Botschaften, schwankenden Lärmpegeln, wechselnden olfaktorischen Abenteuern und gereizten Menschenmengen hyper-stimuliert werden. Auch wenn ich das Leben in der Großstadt gesucht, gefunden, gelebt und viele Jahre intensiv genossen habe, so ist mir dieses romantische Idyll hier am Land das Liebste. Und ob der fehlenden vier Kinder und ob des fehlenden Mannes an meiner Seite, so ist es keine Einsamkeit, die ich hier in dieser Klein(st)stadt spüre.
Schlussendlich wurde ich in den letzten zehn Jahren Vollzeitoptimistin. Auch im Schlimmsten finde ich etwas Gutes. Ich kann mit diesen Steinen, die sich ab und an in den Weg legen, recht gut arbeiten. Sie haben mich immer wieder weitergeführt, mich provoziert zu wachsen, stärker und vor allem mutiger zu werden. Ich habe die Brüche nicht nur mit Kit wieder heile gemacht, ich habe sie so zusammengesetzt, dass stets etwas Neues daraus entstanden ist. Es wurde danach meist bunter.
Jetzt mit 38 kann ich sagen, danke, dass meine Vision von vier Kindern, Mann, Haus und vielleicht Hund sich nicht erfüllt hat. Warum? Weil ich nun weiß, das mein Weg scheinbar ein anderer sein muss. Mein Weg ist genau das Gegenteil von dem, was ich als sehnlichsten Wunsch definiert hatte. Ich kann das erkennen ohne es mir schön reden zu müssen. Denn es ist da und manifestiert sich regelmäßig. Aber andererseits, was weiß ich denn? Es kann ja immer noch alles anders werden. Jeder Tag ist eine neue Chance darauf, dass Dir entweder jemand Rosen streut oder mit dem Arsch ins Gesicht fährt. Wie man damit umgeht, ist jedem selbst überlassen. Aus welcher Perspektive man darauf schaut kann nicht nur den Blickwinkel sondern auch den Gedankengang ändern. Weniger mi-mi-mi mehr ju-hu-hu!
In diesen Sinne, happy Birthday, dear You. Die letzten zehn Jahre waren ein Vergnügen mit Schokobrunnen und Seifenkistenrennen und die nächsten zehn werden es auch. Nur ist mir mein geistiges Visionboard dafür abhanden gekommen. Und das ist gut so. Pläne und Ziele habe ich auch so und der beste Weg von A nach B ist ein Umweg.