#45 - Ein Jahresrückblick kurz vor Schluss
Ein Jahresrückblick sieben Tage vor Jahresschluss ist vielleicht etwas gewagt, es könnte ja noch an jedem der verbleibenden Tage etwas passieren. Aber ich riskiere es, weil ich gerade in der Stimmung dazu bin. Danke, liebe Sharon van Etten, für deine wunderbare Musik, die in mir die Muse geküsst und diese nun folgenden Zeilen entstehen hat lassen.
2020 also. Faktisch ist nicht viel passiert, aber dann doch wieder sehr viel. Und weil faktisch eigentlich nicht viel passiert ist, wundert es mich, dass nun schon Weihnachten ist. Und in sieben Tagen das Jahr vorbei. Vielleicht muss man hier auch weiter ausholen. Denn holy maccaroni, vor 20 Jahren dachten wir die Welt versinkt wenn der Zeiger auf Millenium umstellt. Aber wir sind immer noch hier. Die zwei Jahrzehnte waren ganz schön - wild. Da muss man nicht bescheiden bleiben. 2000-2010 habe ich damit verbracht, meinen Weg zu finden. 2010-2020 habe ich mich auf diesem Weg entdeckt, bin ihn kreuz und quer gegangen, habe Abzweigungen verpasst, bin Umwege gelaufen, habe Serpentinen erklommen, bin durch Täler gestreift und immer wieder auf einer Passstrasse gelandet. Und das war gut so. Da wo ich heute bin, die die ich heute bin, hätte ich damals zum Wechsel des Jahrtausends, in Irland lebend, nicht gedacht. Ich hätte es aber auch beim Jahreswechsel 2009 auf 2010 nicht gedacht, wo ich heute sein werden würde. Weil hätte ich es mir damals zugetraut? Hell no! Waren all die highs and lows, die mir das Leben kredenzt hat, richtig? Hell yes!
Aber zurück zum Überthema: Jahresrückblick 2020.
Januar. Das Jahr in Köln starten lassen. Weil ich Sehnsucht nach Abstand hatte und diesen dringend benötigte. Im Lord Vishnus Couch einen großartigen Women’s Circle mitgemacht. Es hat alles so verdammt gut getan, auch die siebenstündige Zugfahrt zurück. Ich mag es, im Sitzen an der Landschaft entlang zu streifen. Recht viel mehr weiß ich von dem Monat nicht mehr. Ach ja, ich habe meinen ersten Yogakurs ausgeschrieben und diesen im Februar gestartet. Immer montags Yoga unterrichtet und eine große Freude daran gehabt. Viel gearbeitet. Und am 17. Februar Franz abgeholt. Meinen VW T5 oder einfach: mein Männertraum aus Blech. Aber auch hier offenbaren sich jetzt Lücken, ab März wird es interessanter. Viel gearbeitet und dann zack-bumm, krank. Zeitgleich mit dem ersten Lockdown bin auch ich zusammengesackt. Zwei Monate später die Bestätigung: ich hatte Corona. Im April wieder zu Kräften gekommen und mir einen pre-sommerlichen Teint geholt, denn es war wenig zu tun und die Welt stand bei prächtigem Sonnenschein und zero Chemtrails so richtig still. Tropisches Flair auf Balkonien. Ich stand dann doch nicht ganz still, denn ich hab die Ausbildung zur Post-Natalen-Yogalehrerin abgeschlossen und habe mich vom Herrn Walter als Jeanne d'Arc look-a-like auf einer Mostviertler Wiese ablichten lassen. Meine Webseite einem Relaunch unterzogen und ausschließlich positives Feedback erhalten. Aber ich habe die Zeit auch dazu genutzt, mal Urlaub zu machen. Es ist immer die Perspektive, wie man auf die Ereignisse die einem widerfahren blickt. Ich habe in den Stillstandswochen eine rosarote Brille aufgesetzt und das gemacht, wozu Selbstständige eben nie bis selten ausgiebig kommen: Urlaub. Und das ohne schlechtem Gewissen. Im Mai war ich kurz verliebt. Richtiges Gefühl, komplett falscher Mann. Sorry F. Aber die Erfahrung war richtig und wichtig. Ich habe Ballast abgeworfen, den Franz beladen und bin frohen Mutes in den Juni gerollt. Das erste Mal mit dem Franz draussen: nach Götzens in Tirol und an den Chiemsee in Bayern. Den Juni genutzt um das Innenleben von Franz zu modellieren, um damit dann im Juli jede Gelegenheit zu nutzen, um ins Draußen zu übersiedeln. Im Juli Geburtstag gefeiert, mit der besten Combo die es gibt. Es war sehr sehr sehr lustig, ich war betrunken und habe den Taxifahrer zum Campingplatz Neue Donau gelotst. Dort im Dunklem unter dem Sternenhimmel alleine getanzt und morgens zeitig weiter an den Stausee Ottenstein, wo ich bis zum Gewittereinbruch ausschließlich in der Hängematte im Wald gelegen habe. Die Seele hat gut gebaumelt, die Kirschen waren lecker, das Wetter dann nicht mehr so. Wenige Tage später erster größerer Aufbruch mit dem Franz: auf nach Deutschland. Acht Tage mit so vielen wunderbaren Menschen und wunderschönen Momenten. Auf vielen Autobahnkilometern sturzbetrunken vor Glück und Liebe den Soundtrack meines Lebens gesungen.
August. Zurück nur kurz, denn dann ging es den Augustlang auf Reisen. Auftakt in der Südoststeiermark beim Pein'schen Secret-Spot. Weiter nach Kärnten, weiter in die Dolomiten. Valle di Cadore, du meine Perle du! Weiter an den Pragser Wildsee und in Birkenstock-Schlapfen um den See gelaufen (dumb!). Weiter nach Götzens und dort wie immer die beste Zeit verbracht. Danke Martina, danke Lilli. In fast Einem ging es durch nach Ostfriesland. Jadebusen calling. Ich bin noch nie so lange geradeaus gefahren wie auf dieser Etappe. Endlich die Weite des Meeres, Sand unter den Füßen und Schlick überall sonst. Danke Lars, dass du diese Zeit so wunderbar einfach gemacht hast. Pizza am Kanal, sinnvolle Gespräche und sinnlose Themen. Yogaunterricht im Kaminland, temporäres Büro in der Werkstatt. Wenn Herzlichkeit einen Namen hat, dann heißt sie Schrage. Vom Jadebusen durch den Elbkanal gestaut um mit dem Philipp in Haale in Schleswig-Holstein Bierchen zu trinken. 14 Stunden später saß ich wieder im Franz und war unterwegs nach Brandenburg. Noch etwas Erholung am Dranser See (Empfehlung!), unterm Sternenhimmel liegen und im See baden. Man will sich ja nicht verausgaben. Weiter nach Berlin und hier in Spandau für sieben Tage Wurzeln geschlagen. Ausbildung zur Yoga-Nidra-Trainerin. Auf der Bucket-List nun ein ToDo weniger, die Fulls, die Muschi und den Berger getroffen und dann ging es weiter zu einem längst überfälligen Besuch: Zu den Wegners nach Herzberg. Vorstellig werden bei Herrn Otto und Fräulein Hilda. Weil ich's konnte um einen Tag verlängert und dann erst die Heimreise angetreten. Mit einem Zwischenstopp außerhalb von Regensburg, an der Donau stehend. Es war mucksmäuschenstill und ich satt wie zufrieden. Noch ein Einkehrschwung am Attersee bei der wunderbaren P und ihrem A. Und wie immmer, wenn ich nach längeren Touren nach Hause komme, kann ich mit dem Komfort nicht umgehen. Mir fehlt dann der Boden unter den Füßen und ich kann erst mal mit mir nichts anfangen. Und dann war schon September und ich konnte wieder Yoga unterrichten. Welch' eine Freude. Immer wieder ins Draußen gegangen und es vollends genossen. Viel gearbeitet, Projekte abgeschlossen und Nervenstränge verstärkt. Spaßeshalber auf Tinder angemeldet. Nicht viel dabei rumgekommen. Aber hat ich eigentlich nicht anders erwartet. Im Oktober nochmals ins Draußen und entschieden, eine Standheizung muss her. Ein Abend auf eh nur zwei Seiterl Bier in die Sperrstunde ausgedehnt und wieder mal am Tresen gesessen. Danke Herr Walter! Wohin der November gekommen ist, weiß ich nicht. Ist der schon vorüber? Ich glaub ich saß fast durchgehend am Schreibtisch. Attentat in Wien und die große Sorge um all die Menschen, die dort leben und vor allem um jene, die mir am Herz liegen. Erst eingeschlafen, als ich von allen den Status “safe” erhalten habe. Und jetzt Dezember. Richtig viel gearbeitet, einen digitalen Adventkalender der Erinnerungen, acht gebackene Sorten Weihnachtskekse (vegan), eine Standheizung und zweite Batterie mit Spannungswandler später liebäugle ich mit einem Ausritt ins Draußen. Ich will wieder atmen, den gewohnten Komfort gegen den gelebten Komfort tauschen. Darf ich?
2020 also, das Jahr wo wir gezwungen waren, gemeinsam in einem Boot zu sitzen. Egal ob reich oder arm, egal welche Ethnie, Hautfarbe. 2020, das Jahr für Chancen, wenn wir nur denn alle ganz genau hinschauen. 2020 das Jahr, wo uns das Weltkarma in die Schranken gewiesen, aber uns nicht in die Knie gezwungen hat. Es ist wieder die Perspektive, aus welcher jeder für sich auf die Situation blickt. Vielleicht ist es sarkastisch, dem Negativen etwas Positives abgewinnen zu wollen. Vielleicht lehne ich mich massiv aus dem Fenster, wenn ich sage, all das 2020 hat doch auch etwas Gutes. Oder nicht? Für jeden ist es halt etwas anderes Gutes. Aber es kann und darf doch nicht alles negativ sein. Natürlich geht es um Existenzen, Menschenleben und und und. Aber Herrschaftszeiten, es sind keine Bomben vom Himmel gefallen! Wir können das, wir schaffen das.
Jetzt aber sich erst mal aus dem Jahr prokrastinieren, das Leben ist eh ernst genug.
Ich habe auch wieder für 2020 Lieder gesammelt. L’amour-Hatscher, fesche Beats und Sing-a-longs, ganz was das Herz begehrt. Wer nicht singen möchte, der schreit einfach eine Runde. Ist gut fürs Hals-Chakra.